Seit dem Mittelalter haben Menschen Wohnungen, Werkstätten und Schutzräume in den Fels gehauen. Die Felswand und das Höhlendorf sind Ergebnis mehrerer aufeinanderfolgender Phasen der Nutzung im Laufe der Geschichte. Die Wand besteht aus Kalktuff, einem vor 90 Millionen Jahren entstandenen Kalkstein. Dieses Gestein lässt sich leicht behauen und formen. Trotz seiner Brüchigkeit wird es in der Region sehr häufig als Baumaterial verwendet.
Alles begann Ende des 12. Jh. mit Richard Löwenherz, dem Erben der englischen Krone, der Grafschaften Poitou, Anjou und Maine, der Herzogtümer Normandie und Aquitanien. Ihm gehörte damals die Hälfte des heutigen Frankreichs. Es war eine bewegte, schwierige Zeit, in der zu lokalen Konflikten noch Spannungen um die Herrschaft über das Königreich Frankreich mit Philipp II., dem Erben der rivalisierenden Familie der Kapetinger, hinzukamen. Damals war die Krondomäne auf die Ile-de-France begrenzt, und Philipp II. hatte Alliierte – etwa die Grafen von Blois –, die Territorien besaßen, die im Osten an das Poitou und die Touraine grenzten. Richard musste daher seine Domäne durch befestigte Orte an strategischen Stellen absichern, eine davon war Saint-Rémi.
Im Mittelalter war es üblich, Zufluchtstätten für die Bevölkerung sowie zum Schutz von Ernten, Tieren und Garnisonen einzurichten.
In der Folge wurde die Stätte wiederholt genutzt und wieder aufgegeben. Im 17. Jh. ließen sich hier Hanfweberfamilien dauerhaft nieder. Im Tal bauten sie Hanf an und in den feuchten, temperierten Höhlen, die sie selbst in den Stein hauten, lebten, spannen und woben sie.
Nach dem Niedergang der Hanfspinnerei wurden die Höhlen nach und nach verlassen und schließlich ganz aufgegeben.
Ethni'Cité: ein Museum, aber nicht nur ...
Das in den Felsen gehauene Höhlendorf Ethni'Cité befindet sich oberhalb des Creuse-Tals. Die Aufwertung des Orts erfolgte durch Geschichtsfans, die sich seit den 1990er Jahre in einem Verein zusammengeschlossen haben.
Ethni'cité birgt die Überreste der befestigten Zufluchtsstätte, stellt deren Verteidigungssystem vor und zeigt, wie das Leben während der Belagerungen in der Zeit von Richard Löwenherz verlief. Männer und Frauen haben ihre Spuren an den Wänden der Höhlen hinterlassen, die auch von den Lebensbedingungen des 17. Jh., dem Hanfanbau und den Verarbeitungstechniken zeugen.
Die Färbepflanzen für die Faserfärbung wachsen in einem schönen Garten, in dem es auch Heil-, Gewürz- und Zierpflanzen gibt. Dieser Garten besticht durch seine Farbenvielfalt und ist ein Refugium für Schmetterlinge, Insekten und Spinnen, die dieses grüne, von natürlichen Wasserquellen bewässerte Paradies bevölkern.
Der Komplex befindet sich in der Nähe der Ruinen des befestigten Turms, der unter Richard Löwenherz errichtet wurde, eines herrlichen Aussichtspunkts über das Creuse-Tal und der schönen Kirche Saint-Rémy, die eine Fensterverkleidung aus durchbrochenem Stein des 12. Jh. Aufweist.